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Da beschLEICHT uns mehr als nur ein tierisches Rühren

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Inwieweit bestimmen Wörter unser Gemüt, obwohl wir diese selbst bestimmen? Lassen wir uns die Leichtigkeit durch gar Allzualltägliches nehmen oder nehmen wir gar Alltägliches zu leicht? Brauchst es nicht manchmal nur ein Fliegengewicht am Zünglein unserer Wahrnehmung um eine neue Sicht zu erlangen?

Der Wörterwolf – Julia Wölfel

Der Wörterwolf ist eine Art Patronuszauber, mit dem wir uns gegen unsere Ängste und Dämonen verteidigen und ein bisschen Leichtigkeit herbeizaubern können: Wir stopfen Wörter unterschiedlicher Schwere in den Wolf hinein und mahlen solange, bis diese zu leichter verdaulichem Wörterhack herausgepresst werden. Probiert es aus!


Glatze = Haarwurzelpensionierung


Unheilbar krank = Befristet gesund


Mundgeruch = Rachenaroma


Tumor = Karnickelzellenhabitat


Fremdgehen = Partnerverwechslung


Sich verschulden = Zahlenfärben


Scheidung = Praxiskurs Familienrecht


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Illustration: Ellinor Amini

LOVE STORY – Paul Schömann

Diese Fliege 

Kam irgendwann herein

Seitdem sitzt sie da

Und hört uns zu

 

Sie schaut uns an

unendlich leicht  

Von ihrem Logenplatz

Im obersten Eck

Einer alten Küche 

 

Sie wechselt die Zimmer

Und schaut uns zu

Während wir schlafen

Und schreiben 


Sie schaut uns an

Wie wir uns umarmen

Wie wir auseinandergehen

Und weiß mehr

Als wir beide zusammen 



in memoriam – Carl Manzey

ich kenne nicht deinen namen,

doch ich weiß, du warst

ein käfer, der mir nachts

in die seiten sprang,                                                               

während ich las.    

                                                               

ich ließ dich meinen körper als urwald

erforschen, die armhaare ohne machete

durchforsten, dschungellabyrinth

der beinhaare, tafelberg knie,

bauchnabel victoriasee.

 

bis ich dich fand, anderntags

zwischen den fensterrahmen,

so kalt muss dir gewesen sein,                                             

als du starbst; die kirchenglocken

läuteten an diesem tag

so lang, dass sich die nachbarn

ratlose blicke zuwarfen, sie wussten nicht,

dass du beerdigt wurdest,

oder vielmehr beluftigt:                                                       

dein kleiner, zarter körper                                                    

im flug mit den wolken,

ohne gewicht, ohne gesicht.

 

ich kannte nicht deinen namen,

doch ich weiß, wie leicht du warst

in meiner riesenhand, die du lebendig

flüchtig übersprangst, die dich letztendlich

aus dem fenster warf.

Essen, Tiere, Technik – Christian Decline

Es wird mit harten Kartonagen gekämpft. Die gedruckten Lügen passen die Augen der Wellpappe an. Rille um Rille wird in die Netzhaut eingefräst, damit die Tränen sauber ablaufen können und niemand mehr nach unkontrollierten Überschwemmungen an nasskalten Füßen sterben darf.

Das kann passieren, wenn man versehentlich durch fremde Augen läuft. In der Vergangenheit wurden Millionen Tonnen Sülze bei Spendengalas für die Opfer gesammelt. Auch Herzen, Nieren und Hirne wurden gespendet, sowie ca. 50 m³ Seele (letzteres eine grobe Schätzung, da zum Teil von den Mitarbeitern veruntreut). Manche Spender bestanden hinterher nur noch aus Haut und Knochen und gutem Gewissen.


Die ganze Scheiße aber fing erst so richtig an, als das unschuldige Gewissen sein G verlor und sich vornahm als Wissen Karriere zu machen. Es verschafft mir bis heute ein Blubbern im Magen; denke ich daran!

Das Wissen hat sich dann billig angeboten - was natürlich durchaus auch seinen Reiz hat, das soll hier nicht verschwiegen werden. Es war voll auf der Höhe der Zeit: 20% Milchabfall, 87% Beliebigkeit, über 5% Antimaterie. Ein sicheres Pferd der Trendfabrik, das aber auch dem alten Esel noch schmeckte. Marktwirtschaftlich ausgeklügeltes Kalkül.

Über die tiefere Bedeutung jener Kreuzung streiten sich Wissenschaftler (Aha, oho, aha!) bei Tee und naturbelassenem Käsebrot (d.i. Müsli) bis heute um 14:30 Uhr.


Die Spannung dagegen ist ein ganz anderer Charakter. Gemütlich und umgänglich sitzt sie gerne mit der Pfeife im Ohrensessel und prahlt mit ihrer Eloquenz, aber auf höchst sympathische Weise. Ich habe ihren Erzählungen immer gerne gelauscht.

Ich hatte das Glück sie einmal kennenlernen zu dürfen. Es war in der achten Klasse. Leider war ich damals noch ein Hund, so kam keine befriedigende Unterhaltung zu Stande. Ich bellte zwar, aber sie war mir im Beißen einiges voraus! Ich wäre sonst ihrer Bitte, ihre – zugegebenermaßen eher langweilige – Biographie zu verfassen sicher nachgekommen. Unsere Heirat war in Planung, des literarischen Showdowns wegen.


Kurz nach dem Scheitern der ganzen Unternehmung aus oben nachzulesenden Gründen führte sie eine ziemlich traurige Existenz als Darstellerin einer Spülhilfe in einem schäbigen, heruntergekommenen Theaterhaus am unteren Rande des Marianengrabens. Quastenflosser, Spinnenkrabben und absolute Dunkelheit taten ihrer Schönheit keinen Gefallen und auch mit festgebackenen Ketchupresten hatte sie trotz allen Wassers ihre liebe Mühe. Und das obwohl es gar nicht zu den Regieanweisungen zählte.


Ein elektrischer Papiertiger war es schließlich, der ihr wieder zu neuem Durchhaltevermögen verhalf. Ich erschrak als ich ihn das erste Mal sah. Er war zu jener Zeit so leicht, dass er schon durch leises Sprechen seines Gegenübers hunderte Meilen fortgeblasen wurde. Er war aus dem Papier mit dem Umweltengel. Man schrieb die Argumente also am besten direkt auf ihn selbst, war man willens ein längeres Gespräch zu absolvieren.

Immer mehr seiner Gesprächspartner fingen aber an, bei späteren Treffen peinliche oder überholte frühere Aussagen einfach abzureißen und zu verbrennen. So wurde der gütige und freundliche Papiertiger über die Jahre immer kleiner. Vom Schock des Ereignisses fing ich – verständlicherweise – an, hysterisch zu bellen.

Irgendwann rann er mir dann durch die Augenrille und auch ihn habe ich danach lange nicht mehr gesehen. Als es mir zu blöd wurde schrieb ich einfach seine Todesanzeige: „Der liebe Papiertiger ist tot. Er ist auf dem Stuhl gestorben. Viel zu früh musste sein Lebenslicht erlischen. Er wurde nur zehntausend Volt alt. Schuld seid ihr, also alle., außer mir und der Spannung, aber die höchstens wie sie damals war. Das ist alles. Prost! Zum Wohlsein!“


Andere Dinge sind aber auch wichtig:

Ein kompakter Kleinwagen war schwer krank, so sehr, dass seine PS-Zahl auf unter 1 sank. Die Krankheit wandelte seinen Hass in Fett um. Da er so unendlich hasserfüllt war (selbst seine Insassen bestanden aus purem Hass), konnte niemand absehen, ob seine Gewichtszunahme je enden würde. Sogar die stärksten Hebebühnen der Welt waren machtlos. Mechaniker kamen hinzu und brieten sich ihre Spiegeleier auf der heißen, speckigen Motorhaube. Wie unachtsam! Das Fett war doch aus Hass entstanden. Sofort nahmen rassistische Übergriffe, Morde, Folterungen und andere Hassverbrechen unter den Mechanikern zu.


Sie, liebe Leserin, lieber Leser, wissen davon natürlich überhaupt gar nichts. Die Auto-und-Motoren-Presse schwieg sich über den Skandal aus. Was nicht zu verleugnen war wurde den Legehennen in die Schuhe bzw. unter die Krallen geschoben. Das laute Protestgegacker der hart arbeitenden Stallesbewohnerinnen wurde zermalmt von schwabbeligen Motorengedröhne (sogar die Geräusche des Kleinwagens schwabbelten) und von der Presse verwendet, um die Hennen als „dumme Hühner“ zu verunglimpfen. Den unverbesserlichsten Protestlerinnen wurde heimlich in einem Hinterhalt der Kopf abgetrennt. Dies mittels des scharfen Papiers der AutoMotorSport-Februar-Ausgabe.

Doch nicht einmal damit konnte die feiste, hassgetriebene Motorenindustrie diese mutigen Hennen von weiteren Protestmärschen abhalten.

Auch wenn sie ihrer Zeit weit voraus waren, verdanken wir diesen namenlosen Vögeln doch heute die Begründung des Henninismus.


 
 
 

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