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Lara Wuester

Leicht in den Jahresstart


Foto: Lilly Gladenbeck


Leicht - Ursula Altenbach


 

L 

 

fliegen über wolken die keine sind 

was ist denn schwerer das wasser oder der wind 

 

 

E 

 

der vogel im freien fall 

der fisch im schwarm im meeresblau 

 

 

I 

 

was ist leichter 1kg watte....1kg blei 

was sagt der kater im zweifelsfall 

 

 

C 

 

ein schmetterling so leicht  

einer pustelblume er gleicht 

 

 

H 

 

es könnte nicht schwieriger sein 

dabei ist leicht gerade das gegenteil 

 

 

T 

 

am leichtesten ist leicht vorzustellen 

wie die leichtigkeit alles zu leeren 

eine utopie zum mitnehmen, bitte - Malin von Lehenner

leicht (machen) - Julia Blöcher

leicht - Laura Schröder


Der See - Diane Gill

 

Diane Gill 

 

Der See 

 

 

Die Schneeschmelze des zurückliegenden Winters nimmt in Rinnsalen ihren Weg durch das Gebirge und gleitet als Wasserlauf hinab in den See. Auf der anderen Seite fließt das Wasser in einen schmalen Bach, den niemand sieht und unterirdisch seinen Weg in die umliegenden Wiesen und Felder findet. 

 

Die Wasseroberfläche des Sees hebt und senkt sich. Die Wellen tasten nach dem Ufer und ziehen sich zurück, als wendeten sie sich wieder sich selbst zu. Hellblau und heiter glänzt der See an dessen Rand. In seiner Tiefe wird er dunkler und mächtiger. 

 

Der See kennt seine Melodie aus Plätschern und Schwappen. Er weiß um seine Stärke, da Natur ihre Kraft kennen muss. 

 

Er ist immer schwerer, er ist immer stärker. 

 

Sie steht am Uferrand, reglos. Sie lauscht, ob er wie ein Verwandter den Schutz bietet, den sie benötigt. 

 

Der Blick auf das Wasser erleichtert sie. Die Gewissheit, dass er sich nicht entfernt, ist, als hielte er eine Verabredung ein. Sie kennt den See seit ihrer Kindheit, und seine Anwesenheit fühlt sich an wie eine Umarmung, die sonst keiner geben kann. Jemand mit ihrem Gewicht wird nicht in die Arme geschlossen. Für eine Liebkosung muss man sich empfindsam zeigen, Schwäche offenbaren. 

 

Wenige Vögel zwitschern, es ist früher Abend im Juni. Sie sieht, dass die Natur ruhig ist. Der See liegt still, als zeige er Achtung vor der Bewegung der anderen. Der Wind weht nur ganz sacht. Die Bäume ragen auf, als sprächen sie zu ihr, sie solle auch so aufrechtstehen. Das ist möglich, da der See so nah ist. 

 

Das Thema der Zeit, jetzt da sie siebzehn ist, heißt Leichtigkeit und auf der imaginären Wippe vor ihrem Auge sitzt immer jemand auf der anderen Seite, der leichter ist. 

 

Gewicht, denkt sie, die gerne Gewicht in Worte legt, ist so negativ besetzt. 

 

Warum bezieht Schwere sich auf sich selbst und ist nicht auch das fehlende Gewicht der anderen? 

 

Wenn sie sich im Wasser spiegelt, gefällt ihr das Bild nicht. Ihrem Körper sieht man an, dass sie mit ihren siebzehn Jahren bereits viel gesehen und erlebt hat. Sie ist nicht sehr sportlich, vom Schwimmen abgesehen. Sie könnte den See vom vorderen Ufer bis zur anderen Seite durchschwimmen, so sie es wollte. 

 

Abendtau tropft von den Gräsern in den Wiesen, die den See umgeben. Die Sonne ist ein Stück gewandert. Eine Weile steht sie schon am Ufer. 

 

Mit einer Hand, die sie durch das Wasser zieht, prüft sie, ob die Temperatur ausreicht. Der Entschluss fällt dann sehr schnell. 

 

Sie streift die Jeans ab, legt ihre Socken in die abgenutzten Schuhe, zieht das Oberteil über den Kopf und schreitet hinein, zielstrebig, forsch, unerschrocken gegenüber der Kälte, die ihr entgegenschlägt. Es schwappt um ihre Beine, kaltschnäuzig streckt sie die Arme nach vorne und stürzt sich mit dem ganzen Körper in den See, so dass es klatscht. 

 

Er nimmt sie entgegen. Kalt und zunächst unnahbar ist er und sie muss zuerst sich selbst vertrauen, bis der See mit Geborgenheit antwortet. 

 

Der See umschlingt ihren Körper und sie gleitet umsichtig hinein, bis er mit leichten Wellenbewegungen reagiert. Ihre Hände greifen in die Wasserwand, sie begibt sich mehr und mehr in die Tiefe des Gewässers. 

 

Sie ist leicht in dem Moment, da der See tief ist. 

 

Ihr Atem geht zunehmend ruhiger. Sie schwimmt vorwärts, die Beine kräftig, die Hände tasten nach den Schwingungen des Gewässers. Es gibt die, die der See in sich trägt und die, die sie selbst erzeugt. 

 

Es ist nicht schwer, die eigenen Bewegungen zu genießen. Sie gerät in unterschiedliche Strömungen. Warme Wellen streifen ihren Körper, der kurz darauf erschrickt, weil das Wasser an einer anderen Stelle wieder sehr kalt ist. 

 

Ihr Körper nimmt Spannung an. Schnell schwimmen ist ihr in Schwimmbädern wichtig, ebenso wie eine Anzahl an gezogenen Bahnen. Hier kann schwimmen auch innehalten darstellen. Den Körper umschmeicheln lassen, die Bewegungen um der Bewegungen willen durchführen. Sich auf den Rücken legen und Zeit Zeit sein lassen. 

 

Sie spürt die Kälte des Wassers und fasst das Ufer ins Auge. Sie beginnt wieder schnell zu schwimmen, das Ufer ist die Ziellinie, die sie laut und heftig atmend erreicht. 

 

Groß und stolz steigt sie aus dem Wasser. Eine Last perlt von ihr ab. 

 

Sie betritt das Ufer, und in dem Moment, als ihr Fuß auf festen Boden trifft, bemerkt sie die Leichtigkeit, die sie umgibt. Leicht und scheinbar schwebend läuft sie zurück zu ihren Kleidern. 

 

"Der See war schwerer.", denkt sie frohgestimmt. 




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