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Mittlerweile Gegenüber

Charlotte Rohde

Aktualisiert: 17. März

von Martha Ponomarchuk


Ein Text, der uns die alltäglichen inneren Konflikte, unausgesprochenen Wahrheiten und geflüsterten Ungerechtigkeiten einer Beziehung fühlen lässt und damit der Perspektive der Frau eine Stimme gibt, die gehört werden will.


photo by Charlotte Rohde
photo by Charlotte Rohde

Früher dachten wir, wir könnten alles zusammen schaffen, Seite an Seite, wir gegen die kalte, grausame Welt da draußen. Wir waren jung, hörten die Fallout Boys und Linkin Park und schlenderten mit zerrissenen Jeans und schwarz gefärbten Haaren durch die Straßen, ein Kopfhörer im Ohr, verbunden durch das Audiokabel. Erinnerst du dich noch?

Wir mussten nah aneinander stehen, um einander nicht die Kopfhörer aus den Ohren zu reißen, so nah, dass ich deinen warmen Atem auf meiner Wange spüren konnte, aber uns machte das nichts aus. Wir hatten einander, wir liefen sogar im Gleichschritt, auch wenn du einen ganzen Kopf größer warst als ich. Wir dachten wir wären so wahnsinnig einzigartig. Wir gegen die konventionellen Geschlechterrollen und was diese ganzen alten Sesselfurzer als Ehe bezeichneten. So würden wir niemals enden, hast du gesagt. Du hast es mir versprochen. Erinnerst du dich noch daran?


Nun sitzen wir uns Gegenüber und fragen uns, wann diese Schützengräben zwischen uns entstanden sind, wann sich die Fronten so verhärtet haben, dass wir einander nichts mehr zu sagen haben.

Wann habe ich angefangen, die ganze Wäsche zu machen, das Abendessen zu kochen und die Kinder vom Kindergarten abzuholen. Unser Sohn sieht dir so ähnlich, dass ich Angst habe, dass er genauso wird wie du. Er ist schon genauso genervt von mir wie du und er rollt die Augen genauso wie du, wenn ich den Mund aufmache, um mich zu beschweren, eigentlich um Hilfe zu fragen, aber das wirst du nie einsehen. „Meine Alte beschwert sich nur noch“ wirst du zu deinen Arbeitskollegen sagen, die alle 5 Jahre älter sind und dich sowieso nie als einen von ihnen akzeptieren werden. Aber du willst so sehr zu diesen alten Säcken gehören, dass du gewillt bist deine eigene Frau auf dem Altar der männlichen Anerkennung zu opfern.

Ich frage mich, wann ich in deinem Kopf zum Feind geworden bin.


Ich sitze dir gegenüber am Frühstückstisch an einem sonnigen Samstag, du ignorierst mich, während du die Arbeitsmails auf deinem Handy durchschaust. Du siehst zu mir auf und für einen Moment mache ich mir Hoffnungen, dass du mich fragst wie es mir geht oder was wir heute als Familie unternehmen könnten. Die Kinder und ich würden an den See fahren würde ich sagen. Die Kinder und ich fahren schon seit Wochen immer am Samstag an den See. Du kommst nie mit. Du fragst mich, ob ich dir das Salz für dein Rührei reichen kann und meine Hoffnung stirbt mit dem leisen Rasseln von Salz und Reis im Salzstreuer. Wie makabre Maracas, die meinen Trauermarsch einläuten, den ich viel zu lange herausgezögert habe. Aber du siehst mich kurz an und für einen kurzen Moment erinnere ich mich an eine jüngere Version von uns. Deine blauen Augen sind immer noch genauso schön wie an dem Tag vor 8 Jahren, als ich sie zum ersten Mal sah.

Ich hatte vorher nie bemerkt wie kalt sie doch sein können. Wie Eis auf einem frisch gefrorenen See, bei dem man nicht weiß wie tief es unter der Oberfläche noch weitergeht. Habe ich dich wirklich so falsch eingeschätzt? Sag mir, wann hat es zwischen uns angefangen so zu frösteln? Wann hat sich der Winter in unser Haus eingeschlichen? Wir waren doch schon immer beide Herbstmenschen gewesen.

Du wusstest damals, wie ich warmen Kakao mit Sahne und Schokostreuseln liebe. Wir konnten es kaum erwarten, bis es kühler wurde und wir endlich die Pullover auspacken konnten. Damals hast du mir noch jeden September Kürbissuppe gekocht, sobald die ersten Blätter gelb wurden.

Nun beschwerst du dich nur noch darüber, wie teuer die Kürbisse im Supermarkt geworden sind und, dass die Gaspreise wieder gestiegen sind. Mal schauen, ob man sich das Heizen nächstes Jahr noch leisten kann meckerst du beim Abendessen.

Ich drehe die Heizung wieder runter und ziehe mir meinen langärmligen Pyjama an, damit du dich nicht beschwerst, dass ich unnötig dein Geld verprasse.

Du hattest mir geschworen du würdest niemals wie dein Vater werden, doch ich sehe seine Präsenz in dir jeden Tag. Wenn du die nicht gemachte Wäsche ignorierst und das Geschirr in der Spüle, das für dich wohl mittlerweile zur Hausdeko gehört. Ich bin wohl auch nur noch Hausdeko. Ich wünschte, ich wäre eine teure Porzellanvase, stattdessen erinnere ich mich selbst an den Staubsaugroboter aus der Werbung, den man vom Handy aus einstellen und danach vergessen kann. Ich fühle mich vergessen von dir, wenn du dich schweigend von mir wegdrehst bevor du die Lampe im Schlafzimmer ausmachst, um die stille Nacht mit deinem Schnarchen zu füllen. Nur diese beiden Dinge füllen noch unser Schlafzimmer, doch diese vier Wände hätten so viel mehr zu berichten, wenn man sie nach uns fragen würde. Wir lagen so oft im Bett und haben uns dumm und dämlich gelacht wegen irgendeinem bedeutungslosen Witz, den du auf Instagram gefunden hast. Wir haben Nächte damit verbracht zu lachen und zu reden, über Gott und die Welt und darüber wie wir an den alten bärtigen Mann im Himmel nicht mehr glauben. Erinnerst du dich noch?


Wir sitzen uns Gegenüber beim Abendessen und du lachst und schaust auf dein Handy. Früher habe ich dich auch so zum Lachen gebracht, ich wünschte ich würde es immer noch tun, stattdessen rollst du mit den Augen, wenn ich dir von meinem Tag erzählen will. „Ich hab das schon so oft gehört, es gibt bei dir sowieso nie was Neues.“ hast du vor zwei Jahren mal gesagt und dich nie danach entschuldigt. Also salze ich mein Abendessen und wende mich meiner Netflixserie zu, ich kann dich so nicht ansehen. Ich hasse es uns so zu sehen.

Erinnerst du dich noch, als wir wirklich zusammen waren?

Wir haben im Park getanzt. Unter dem klaren Sternenhimmel konnte uns dieser Alltagstrott nichts anhaben. Wir drehten unsere eigenen Bahnen wie die Sterne über uns. Junge Paare blieben stehen, um uns zuzuschauen, Jugendliche, die leise davon flüsterten, eine Beziehung wie unsere zu wollen.


Ich würde ihnen heute davon abraten.

Es ist nicht so, als hätten wir es nicht versucht. Am Anfang haben wir uns noch gestritten, oft, mehrmals die Woche. Gespräche, die tief in die Nacht gingen und daraus bestanden, dass ich weinte und du mir versprochen hast, dass sich was ändert. Du hast mir in die Augen geschaut und geschworen, dass du dich ändern würdest. Wir beide, auf gegenüberliegenden Seiten eines Abgrunds. Ich versuchte Brücken zu bauen, damit du sie mit Benzin in Flammen aufgehen lassen konntest. Die Flammen waren schön. Es war magisch dem Feuer beim Tanzen zuzusehen, mir vorzustellen, dass es mich vielleicht wärmen könnte, nur um mich am Ende doch nur daran zu verbrennen. Das muss ich dir lassen. Das Feuer hat mich schon immer fasziniert. Vielleicht habe ich dich deshalb gewählt damals. Vielleicht habe ich dich deshalb geheiratet.

Du hast mir versprochen, dass sich etwas ändert. Also weinte ich nicht mehr und als sich nichts änderte, fing ich an meine Tränen im Badezimmerschrank unter dem Waschbecken zu verstecken. Zwischen dem Haarspray und den Nachfüllpackungen für die Seife, die du sowieso nie nachkaufst, weshalb meine Tränen dort wohl auch eine Weile sicher sein werden. Manchmal hörst du mich im Badezimmerschrank unter dem Waschbecken rumkruschteln und machst das Licht im Flur aus.


 

über Martha Ponomarchuk:

Ich bin Martha, 23 Jahre alt und mache gerade eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten. Ich komme aus Pfaffenhofen a.d. Ilm, das ist ein wunderschönes kleines Kaff zwischen München und Ingolstadt. Ich schreibe Texte, vor allem Kurzgeschichten und Gedichte, seit ich ca. 12 Jahre alt bin und war 4 Jahre lang in der kleinen Schreibwerkstatt im Literaturhaus München. Mittlerweile schreibe ich auch an längeren Projekten, vor allem im Fantasy Genre.


 
 
 

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