Mit dem Thema "Körperlich" unserer neuesten Ausgabe, die im Februar '23 erschien, erreichten uns zahlreiche Einsendungen, die wir aufgrund begrenzter Seitenanzahl leider nicht alle veröffentlichen konnten. Dennoch möchten wir Euch ein paar ausgewählte Schätze nicht vorenthalten und starten deswegen eine kleine Serie auf dem Blog mit dem Titel "Körperlich", um dieses Thema noch etwas nachzufühlen und den Gedankengang langsam ausklingen zu lassen.
Viel Spaß dabei!
Foto: Lilly Gladenbeck und Leonie Winter
dann steh ich so da
- Alda Janssen Nieto
dann steh ich so da
hab mich umarmt
festhaltend
umschlungen ohne nähe
ohne zu fühlen
nicht für mich
nicht hier alleine stehend
meinen eigenen blick auf mir ruhend
weniger beruhigend
die laufenden tränen zeigen,
was ich mir lange wieder nicht vorhalten wollte
verschleiern den blick, etwas der sicht
weniger den stich der offensichtlichkeit
der jedes mal erneut alles zusammenzieht
die angst macht sich erneut breit
halte den atem wieder ungewollt zurück
lasse den druck nicht weichen, kein stück
der versuch zu halten wieder nicht gelungen
salzige schicht auf meinem gesicht
weiß nicht wie ich mich festhalten kann
steh noch immer da
die tränen die einzige bewegung im außen
lassen die anspannung gehen
nur ein kleines stück
die wahrnehmung verrückt
die dünne hülle zerfließt nun zu ende
mit kaum spürbaren armen das zittern haltend
die eigentlich nicht greifbare hoffnung anhalten
versuchen, oder ein neues suchen in mir
nach dem zustand dieser verletzlichkeit
und dann stehe ich wieder so da
also nicht da
nicht an der gleichen stelle
nicht immer
doch oft fühlt es sich so an
eine wiederkehrende welle
wie auf der gleichen stelle zu stehen
wieder den weg zu diesem zustand
in mir unfreiwillig zu gehen
sind es wirklich die gleichen gedanken
die mich statt meiner selbst halten
sich um mich ranken
mir das distanzierte sehen meines verhalten
wieder vorgreifen
das letzte schlucken versteifen
und sich nicht mehr von mir lenken lassen
bis ich die zeit länger lasse verstreichen
und aufhöre mich selbst zu verlassen
so scheint es mir dann
eingenommen von dem nicht greifbaren in mir
umgeben von nicht beschreibbaren
gedanken, und gefühle schwerer leere
so scheint mir die eigene verblendung entgegen
geblendet von dem verschwommenen licht
das sich ein meinem wässrigen augenblick bricht
trägt mich auf fremden händen weiter hinaus
wohin genau weiß ich nicht
nur gespür für das zusätzliche gewicht
aber raus aus meinen eigenen vertrauten wänden
bis dieser dissoziierte blick abbricht
selten frühzeitig oder unvorhersehbar
meistens noch eine ganze weile unklar
manchmal ein bisschen unscheinbar
vor lauter tiefe nicht so schnell erkennbar
und dann stehe ich so da
noch immer an der gleichen stelle
weiterhin getragen von dieser welle
doch ertrinke ich nun nicht mehr
wie es noch eben für mich aussah
hab mich kein stück bewegt
doch die unruhe in mir ist etwas gelöst
löst die nächste welle aus
umgibt mich nun in anderer form
neue gefühle überrollen mein dasein
noch keine kraft standzuhalten
doch war mir auch klar es würde sich so verhalten
den neuen zustand zu realisieren
nicht zu einfach für mich zu akzeptieren
wünschte ich könnte das alles kurz pausieren
aus jetziger sicht auf das eben gewesene
zu sehen ist nicht so leicht wie gedacht
mit dem ersten ausatmen
kommt ein bisschen gefühl zu mir zurück
es bleibt mir trotzdem erstmal zu warten
so schnell geht es dann doch nicht
und auch in den nächsten momenten
wird es noch keine klare sicht
noch verschobene aber etwas besser
einzuordnende wahrnehmung
der druck in meiner brust findet ein weg
lässt mich aufatmen ein kleines stück
und während ich noch immer da stehe
an der gleichen stelle wie eben
sehe ich mich wieder
nicht nur von außen gespiegelt
im wasser was meine waden umgibt
kann wieder durch die tränen hindurch sehen
mich ein bisschen leichter wahrnehmen
meine verkrampfte haltung lösen
die ich erst jetzt bemerke
aufblicken
um dann mit etwas wiederkehrender stärke
und mit weniger angst aus dieser situation gehen
nicht länger an dieser stelle zusammenzuknicken
wenige momente tatsächlich vergangen
doch die verstrichenen wellen viel zu lange
dagewesen und mich völlig umgeben
gelähmt und mich gebracht in eine schwere schwebe
dann stehe ich also da
und hoffe ein bisschen
auf eine längere zeit der ruhe
zumindest nicht starker unruhe
um mich vorzubereiten
meine zuversicht auszubreiten
Foto: Lilly Gladenbeck und Leonie Winter
Danke
Alda Janssen Nieto
Neben dem Studium in Umweltwissenschaften (Lüneburg) ist Alda sehr gerne sowohl alleine als auch mit guten Freund*innen in draußen unterwegs und freut sich über neue Inspirationen aus verschiedenen Bereichen. Zeichnen und später auch Kombinationen aus Schreiben und Kunst ist schon lange ein wichtiger Teil ihres Lebens. Aufgewachsen in Hamburg, verbringt Alda viel Zeit in Spanien bei ihrem Opa, an dem Ort, wo viele Sommererlebnisse geprägt wurden.
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